Q #3

Zuerst Danke für die überwältigende Reaktion auf diesen Blog. Jedes ermutigende Wort ist bei uns angekommen und wir sind gerührt, dass wir an euch zählen können. Viele haben das Einkaufen angeboten und Reden am Telefon war auch dabei. Zuerst erwarten wir heute einen Einkauf von der Oma und ein Versorgungspaket aus Gießen. Dort wohnt ein befreundetes Pärchen und sie sind richtig fürsorglich.  Als sie gehört haben, was passiert ist, haben gleich ein Paket mit frischem Ingwer und frischer Kurkuma verschickt. Und weil sie keine Zeit hatten zum Einkaufen, haben sie aus ihren Vorräten gepackt. Echt herzensgute Jungs. Ich werde über die “unpacking procedure” berichten.

Apropos Kurkuma – habe gehört, dass es gut für die Halsdesinfektion ist.  Und der Hals ist die Autobahn für die Eindringlingen, welche wir bekämpfen möchten. Ich bin durchaus offen für Experimente – also gestern vorm Schlafengehen habe ich einen halben Teelöffel von der Pulverkurkuma in den Hals gleiten lassen (das ist unmöglich, weil es ein Pulver ist).  Und so blieb das Pulver fast die ganze Nacht irgendwo dort, wo ich es nicht erwartet habe. Heute Morgen hatte ich eine Gelbsuchtzunge. Das Zeug färbt alles sehr zuverlässig. ABER – die ganze Nacht hatte ich keinen Husten und der Hals war schön feucht. Ich werde das Anwendungsverfahren noch verfeinern und wieder probieren.

Und weil die Kurkuma so magische Wirkung haben sollte, habe ich mir heute morgen kurzerhand ein Bananenbrot gemacht und mit Kurkuma bestreut. Dem Küchentuch hat offensichtlich auch geschmeckt:)

Das Bananenbrot mit der Pulverkurkuma.

Kurkuma färbt umweltfreundlich und permanent.

Heute ist auch sonst ein besonderer Tag. Ich lasse mich um 15:40 testen. Gestern habe ich über homeschooling berichtet (übrigens mit Maske) und ich möchte wissen, ob ich etwas an die Kids übertragen kann, wenn ich neben ihnen sitze. Ein Schüttelfrost Frost und spontaner “Halskratzhusten” habe ich die ganze Zeit – mit dem Test bekomme ich eine Handlungssicherheit.

Die Post kam pünktlich, wie angekündigt. Hier ist die angekündigte unpacking procedure in Bildern.

Schon auf der Verpackung sind nette Motive zu erkennen.

Die Goji Beeren habe eine Mindesthaltbarkeit bis 2025

Zartbitter – ob sie überlebt, bis Katrin ihr Geschmack bekommt?

Ingwer, Kurkuma und Walnüsse – coole Kombi.

Wie war mein Abstrich? Unspektakulär. Es wurde mit einem Stäbchen im Mund nach zwei geeigneten Stellen gesucht und einmal links und einmal rechts die Probe abgenommen – naja, besser – abgekratzt. Das alles beim offenem Fenster. Das Personal arbeitet in den gelbesackplastiktütenähnlichen Kleidern – eben höchste Sicherheit. Vorher gab’s noch die obligatorische Untersuchung inkl. das Abhören der Lunge. Auch bei offenem Fenster. Es war zwar nicht sooo kalt, aber meine Jackenkaputze habe auch bei dem nackigen Rücken nicht abgezogen. Ich frage mich, wie es das medizinische Personal den ganzen Tag in der Kälte aushält. Der einziger Lacher war, als ich statt der Gesundheitskarte meine EC Karte angeboten habe. Die Frage nach der Geheimnummer ließ ich unbeantwortet. Einmalig “wir halten Ihnen die Daumen” und ich war raus.

Heute hat sich das Gesundheitsamt gemeldet. In der Annahme, dass wir schon durch Mails auf den Anruf vorbereitet sind. Leider gab es in unseren Postfächern die angekündigten Mails nicht. Jetzt hatten wir aber keine gemeinsame Basis zum Reden. Auch nach mehrmaligen Online-Versuchen kam in unsere Mailboxen nichts. Der Vorgesetzte wurde befragt und wieder versucht. Nach langer Zeit kam bei Katrin tatsächlich eine email an. Nur – ohne Anhang. Und der sollte wichtig sein – zum Ausfüllen der täglichen Gesundheitsprotokollen. Ich habe mich schwarz geärgert, warum gerade ich das Telefon abnahm. Und weil ich ständig Katrin fragen musste “hastduschonetwasbekommen”, kam mir die rettende Idee “ich übergebe an meine Frau.” In dem Moment konnte ich richtig entspannen. Das Ende vom Lied war, dass wir unsere Gesundheitsnummern per Telefon diktiert bekamen und die aktuelle Daten online eingegeben haben.

Zwischendurch wollte ich dem Mann auf dem Gesundheitsamt vorschlagen, ob er uns die Daten auf ein Faxgerät legen kann. Erst zwei Stunden später kamen die gutgemeinten ichsendesienochmals Mails an.

Wie geht es der Kranken? Wie auf der Börse – volatil. Manchmal gut – und sie kann eine Stunde telefonieren – manchmal schlecht – dann ist jedes Wort eine Qual. Ergänzend kam dazu ein kompletter Ausfall vom Geruchs- und Geschmackssinn. Nicht, dass meine Kochkünste nicht geschätzt werden. Aber die Essenseinnahme gestaltet sich leider emotionslos. Das betrifft z. B. auch den Kaffee oder die Schokolade. Es sind keine Genussmittel mehr. Ein Glas heißes Wasser braun gefärbt hätte sein Dienst auch getan. Ihre heutige Frage aus der Dusche werde ich nicht so bald vergessen “Rieche ich jetzt gut?”

Q #1

12. Januar 2021

Heutiger Tag hat eigentlich schon gestern begonnen. Katrin war am Nachmittag beim Corona-Test. Die Ärztin hat es mit ihr gut gemeint und eine richtige Portion vom Abstrich abgenommen. Die Ärztin hat guten Job gemacht, aber angenehm war es nicht.  Ob sie mit positiven Vibes im Katrins Gedächtnis abgespeichert wurde, ist fraglich? Bei den Ärzten sollte man es aber machen – man / frau sieht sich immer zwei mal.

Wir warteten die ganze Nacht, wie sich ein RNA Strang in ein DNA Strang verwandelt und dann vervielfältigt. Und dazu braucht man im Labor Zeit. Wir hoffen, dass die Zeit für viele Vervielfältigungen reichen wird.

Diese Nacht habe ich auf dem Dachboden allein auf der Matratze verbracht 🙂 Und Katrin allein im Schlafzimmer.

Jetzt fängt eigentlich der heutige Tag.
Gleich Morgen früh bekommt Katrin eine Nachricht aus der Labor: “Mit ihrer Probe ist etwas schief gelaufen. Rufen sie uns bitte an”. Das tut sie auch um

9:40 umgehend.

Die Antwort. “Sie sind positiv getestet.” Kein Ton, dass etwas schief gelaufen werden sollte. Zwanzig Minuten später bekommt sie eine elektronische Nachricht aus der Labor: “Ihr Test wurde

9:56 mit positiven Ergebnis beendet.”

Sie soll auf das den Anruf vom Gesundheitsamt warten. Das tat sie auch brav. Inzwischen wurde die Corona App mit dem positiven Ergebnis aktualisiert und alle Verpflichtungen abgesagt. Die konfuse Zeitangabe bei dem Testergebnis und das EtwasSchiefgelaufenMitDerProbe beschäftigt uns – aber wir sollten keine Antwort finden.

Bei mir verbreitet sich innerlich leichte Starre. Wie stark ist die Krankheit ausgebrochen? Werde wir jetzt alle krank? Was ist zu tun? Ich kam darauf bald: NICHTS – WIR SIND IN DER QUARANTÄNE.
Im Testergebnis steht Ct=31. Das bedeutet: Ct-Werte von > 30 gelten als Hinweis auf eine niedrige, Werte von > 35 auf eine sehr niedrige Viruskonzentration. Diese Information beruhigt mich ein bisschen.

Das Gesundheitsamt meldet sich am Nachmittag. Katrin ist bis 21.1. und der Rest der Familie bis 25.1.2021 in der Quarantäne. Warum die unterschiedlichen Enden?  Bei Katrin zählt die Wahrnehmung des ersten Symptoms und bei uns der heutige Tag – Test positiv. Ich empfinde es heute immer noch unfair, aber so sind die Gesetzte und ihre Auslegung.

Den Rest des Tages versuche ich zur Normalität überzugehen. Das Essen zubereiten ist eine willkommen Abwechslung – Reis und gedünstete Karotten und Zucchini mit Thymian. Das hat uns allen geschmeckt. Katrin hat noch ihr Geschmacksinn behalten. Wie schön. Aber am Tisch sitzt sie nicht mit uns – dafür gemütlich auf der Couch mit einem Serviertablett. Das haben wir jetzt so geregelt und sind alle mit dem Setup zufrieden. Am späten Abend laufen die Lieblingsserien in TV und das sorgt für eine willkommene Ablenkung. Ich versuche mich mit dem ungehorsamen Rechner auseinander zu setzte. Bis jetzt trotzt er immer noch in der Siegespose.

Langsam kommen auch Genesungswünsche von Freunden und freuen uns riesig.

Q #2

Langsam wächst in mir die Überzeugung, dass ich wieder im Blog schreiben soll. Wenn sich viele um unsere Gesundheit interessieren, wäre es praktisch, dass jeder auf dem neusten Stand ist. Ich möchte auch unseren nächsten zeigen, nicht nur wie es uns geht (man sagt immer: es geht mir gut – und weh, wenn du sagst: mir geht es nicht gut – dann ist das Gespräch beendet), aber auch wie wir mit der Situation umgehen und was bei uns passiert.

Heute Morgen sind wir alle zeitlich wach. Ich kann nicht sooo lange im Dachgeschoß allein schlafen.  Jeder macht sich etwas zum Trinken oder Essen. Die Essgewohnheiten sind so unterschiedlich, dass es keinen Sinn hat, etwas Gemeinsames zu organisiere. Die Kinder haben Schule und ihre Online-Konferenzen und Unterricht. Und dabei gemütlich im Kinderzimmer zu frühstücken ist eine Annehmlichkeit  im Lockdown.

Den Vormittag verbringe ich mit der Einarbeitung in das Bloggen. Es ist schon so lange her, als wir in Spanien gepilgert sind. Seit der Zeit habe ich nichts geschrieben. Es stellte sich auch die Frage, wie einen neuen Blog in die bestehende Homepage einbaue. Es ist nicht so einfach zwei Blogs nebeneinander stehen zu haben. Das System ist nur für einen Blog ausgelegt. Aber mit ein Paar Tricks kann halbwegs funktionieren. Und ihr werdet mir bestimmt verzeihen, dass der Corona_LIVE Blog auch die Pilgerreise infiziert hat. Schlimm ist der Virus.

Deswegen hänge ich alle Handtücher im Bad und befördere sie in die Waschmaschine. Ich schaffte es zwar ohne Fremdhilfe, aber … das Waschmittel hat sich in dem Behälter so gestaut, dass nicht alles in die Waschmaschine gelang. Was mache ich jetzt? Das Waschmittel steckt naß und klebrig im Behälter und ich brauche in der infektiöse Wäsche volle Ladung der Tenside. Also habe ich den Messbecher für das Wassernachfüllen in den Bügeleisen genommen und Wasser in den Waschmaschienwaschpulverbeälter nachgegossen. Zuerst zögerlich, dann aber mutig, weil ich gesehen habe, dass das Wasser einen gewissen Pegel erreichen muss, damit es über die Ränder in den Waschmaschineninnenraum gelang. Aber Vorsicht – die Waschmaschine ist intelligent: sie misst den Wasserstand und wenn zu viel Wasser drin ist, wird es wieder abgepumpt. Und so ging es hin und her. Wir haben uns mit der Zeit auf einem Waffenstillstand geeinigt. Ich habe dann endlich den Schaum im Waschraum gesehen.

Die Waschmaschine mit viel Schaum.

Und wieder kommt das Mittagessen. Es gibt die Reste vom Gestern. Damit kam die Mannschaft klar und der Gurkensalat als frische Komponente kam gut an.  Für das Abendessen habe ich Burger versprochen. Wir haben nämlich noch am Montag ziemlich viel eingekauft – natürlich nichts ahnend, was uns erwartet.

Das Wetter war heute sonnig und kalt. Kinder wollten in den Garten, aber die Schulpflichten haben die Zeit in Anspruch genommen. Es ist unglaublich, wie viel Stoff sie in der Schule durchpauken müssen. Mein Highlight war am Nachmittag die Schullektüre zum Thema Programmieren mit Phyton. Diese ein paar Stunden haben meinen Tag gerettet.

Und schon ruft das Abendessen. Die Burgermahlzeit. Leider hat Katrin festgestellt, dass ihr Geschmacksinn nachlässt. Der Burger war nicht so schmackhaft und die sauere Gurke war nicht so sauer, dass sie, wie immer, innerlich zusammenzucken musste. Hm – real Corona life beginnt. Sonst bleibt ihr Gesundheitszustand gleich – nur das Husten rutscht immer tiefer. Katrin kann sich jetzt auf eine Frau im Wartezimmer beim Arzt erinnern, welche genauso wie sie jetzt, gehustet hat. Genau der gleiche “Sound” des Hustens. Ob sie sich dort vor einer Woche angesteckt hat? Wissen wir nicht, aber bis jetzt ist es die einzige vernünftige Spur.

Beim Abendessen habe ich erfahren, dass unsere kleinere Tochter in der Nacht nicht gut schlafen konnte, weil ihre Nase verstopft war. Tagsüber ging es, aber am Abend fängt sie doch leicht zu schnupfen. Bei mir kratzt der Hals, aber mit einem warmen Tee und einer Portion “Dauerschlucken” muss ich nur wenig “halskratzhusten”.

 

#EndeGutAllesGut

Ich möchte mich bei Euch für die Treue beim Lesen und für die vielen ausgesprochenen und unausgesprochenen lieben Worte der Unterstützung und Teilnahme BEDANKEN. Es ist ermutigend und ein unglaublich schönes Gefühl zu wissen, dass ich nicht allein UNTERWEGS bin.

Hochzeitsblümchen in Santiago d. Compostela

Tag # 12

Heute war ich beim Chirurgen. Alles gut – die Wunde ist fast geheilt und der erst gestern entdeckte blaue Fleck über den ganzen Bereich des Oberschenkels ist das Zeichen eines Muskelfaserrisses. Fäden gezogen. Läuft.

Ja !


Beim Fliegen war genügend Zeit, um ein Resümee zu ziehen. Ich habe die Pilgerreise nicht wegen einer spirituellen Erleuchtung gemacht. Trotzdem bietet das Pilgern genügend Zeit, über wichtige und unwichtige „Sachen“ nachzudenken beziehungsweise sie zu erleben. Es sind viele Kleinigkeiten, welche sich wie eine Mosaik mit der Zeit zu einer immer größeren Selbsterkenntnis zusammenfügen. Folgendes ist mir jetzt bewusst geworden:

1. Ich werde wieder Pilgern.

2. Das Tragen aller zum Leben notwendigen Sachen auf dem Rücken macht frei und unabhängig von dem Zwang der Vergleiche.

3. Alle Leute sind sich gleich – auf dem Weg gibt es keine Vorurteile. Ich bezeichne manche Leute als alternativ, wenn ich sie sehe und mit der Erscheinung oder dem Lebensstil nicht klarkomme. Ab heute werde ich es nicht im abwertenden Sinne tun.

4. Die Zeit ist unwichtig, wenn man ein Ziel vor Augen hat. Auf dem Weg gibt es Zeitangaben in Tagesreisen. Z.B.: Er ist ein Tag zurück oder zwei Tage im Voraus. Das ist eine wahre Erleichterung in der heutigen eng getakteten Welt.

5. Das Ziel ist genauso wichtig wie der Weg dahin.

6. Es zählt, dass ich das Ziel erreiche. Es ist unwichtig, wann es geschieht.

7. Jede Begegnung, jedes Gespräch ist wichtig. Die Leute, welche ich getroffen habe, haben mich unglaublich mit ihren Ansichten und Lebensgeschichten bereichert.

8. Es ist schön, zu zweit den Weg zu gehen.

9. Jeder, dem ich unterwegs begegne, kann meine Hilfe brauchen oder ich selbst kann seine Hilfe gebrauchen.

10. Als es mir nicht gut ging, war immer Hilfe dabei. Nicht nur meine Frau, sondern auch ein fremder Mann, der plötzlich und unerwartet da war. Seit dem glaube ich, dass sich Engel auf dieser Welt befinden. Manche sind immer dabei, manche kommen unerwartet.

11. Jeder von uns kann ein Engel für den anderen sein. Wieso nicht ich?

12. Das Übernachten in einer Herberge mit mehreren fremden Leuten ist nicht schlimm und ist sogar angenehm, wenn sie sich alle mit Respekt begegnen. Ich habe mehrere Lektionen Respekt gelernt.

13. Eine Nacht für 6 € in einem Saal mit 20 Personen ist genauso erholsam wie eine für 150 € in einem Hoteldoppelzimmer. Nur die Umstände sind anders.

14. Ein Lächeln öffnet das Herz und den Mund des anderen.

15. Das Äußere eines Menschen ist nicht das, was er sein will, sondern spiegelt seinen bisherigen Lebenslauf. Viele sehnen sich nach einer Änderung.

16. Der Pilgerweg ist mit Pfeilen ausgeschildert. Wenn ich mich daran halte, komme ich ans Ziel. Die Erfahrung, der vor mir Laufenden, hat den Weg so geführt, wie er ist. Ich kann auf diese Erfahrungen bauen oder verzichten. Die Entscheidung liegt bei mir selbst.

17. Ich habe neue, persönliche Grenzen kennengelernt. Auch wenn ich wollte konnte ich verletzt nicht wandern, obwohl ich mir nichts anderes gewünscht habe. Das zu akzeptieren ist für mich eine gute Lektion für die weiteren Lebensjahre.

18. Auch wenn die Folgen eines Unglücks / Unfalls / Krankheit im ersten Moment schlimm aussehen, es gibt immer Hoffnung auf eine positive Wendung. Und Glaube an diese Wende kann Bergen versetzen oder sie zumindest gerade fürs bequeme Wandern machen.

19. Das Leben und auch das Pilgern ist nicht linear. Mathematisch gesehen ist es auch nicht mit einer eindeutigen Funktion der Zeit darstellbar.

20. Wenn ein Plan schief geht, soll ich immer über mehrere Pläne B nachdenken. Diese Auswahl an Plänen bietet eine positive Perspektive und gibt mir eine Wahlmöglichkeit. Wenn ich zwischen Alternativen wählen kann, fühle ich mich frei und nicht an mein Schicksal gebunden.

21. Pläne B bereichern manchmal mehr als der ursprüngliche Plan A. Wieso nicht gleich quer denken?

22. Es gibt mehrere Alternativen zwischen sich Totstellen oder Weglaufen bei einer Gefahr, z.B. wenn dir zwei halbmenschengroße, freilaufende Hunde im tiefen Wald begegnen. Eine gute Alternative ist gemütlich weitergehen. Und die Hunde verschwinden. Angst ist kein guter Ratgeber.

23. In einer gewohnten Umgebung fällt mir jede Änderung sehr schwer. In einem fremden Land bin ich für Experimente und das Ausprobieren einer neuen Lebensweise absolut offen.

24. Das Leben ist nicht die Summe vom dem, was ich besitze, sondern die Summe von dem, was ich erlebt habe.

25. Ich kann auch mit einer Handykamera fotografieren. Es muss nicht immer die schwere Spiegelreflexkamera sein. Mit dem Handy ist die Integration zum Bloggen einfach.

26. Es macht mir Spaß, einen Blog jeden Tag zu schreiben. Die dort beschriebenen Erinnerungen bleiben für mich, meine Familie und Freunde für lange Zeit erhalten.

27. Erinnerungen auf das Erlebte bereichern mein Leben. Nur wenn sie in einer Form „konserviert“ sind, können sie mit dazugehörigen Bildern beim Bedarf abgerufen und geteilt werden. Sonst geraten sie immer mehr in Vergessenheit.

Willkommenskürbisssuppe bei Fritzi

Tag # 11

Heute ist der letzte Tag der Reise. Schade.

Zuvor gehen wir ins nahegelegene Einkaufszentrum. Wir genießen das letzte spanische Frühstück mit Toast, Olivenöl und Tomatenpürree. Und bummeln durch die Geschäfte – nichts Neues unter der ☀️. Nach der Pilgerreise habe ich keinen Kaufdrang etwas zu kaufen. Je mehr man kauft und hat, desto mehr muss man tragen. Das gilt auch im übertragenen Sinne.

Moderner Flughafen
Leider nichts für Tierliebhaber

Gelandet mit Wetterschock.

Tag # 10

Mein gestriger Übermut wurde belohnt. Ich hatte den ganzen Tag keine Schmerztablette genommen. Um Mitternacht, kurz vorm Einschlafen, muss ich doch eine nehmen, weil der wunde Fuß heiß und angeschwollen ist. Mist.

Heute ist wieder alles besser – den Umständen entsprechend. Ich möchte heute tatsächlich nicht laufen.

Das Frühstück in der Stadt kommt mit kleiner Joghurtüberraschung, welche ich verpasst hätte ( und ihr auch), wenn ich in der Herberge geblieben wäre ?

Heute möchten wir nur die Zeit und Sonne genießen. Zwischendrin suchen wir nach Mitbringseln. Nach langem Suchen finde wir etwas für die ganze Familie. Was das ist, kann ich jetzt noch nicht verraten. Auf Empfehlung gehen wir um die Mittagszeit in die Bar „ La Tita“. Dort bekommt man zu jedem Getränk ein Stück Tortilla. Sie war gut, aber ein Getränk hat gereicht.

Auf dem Weg zur Kathedrale begegnen uns die unterschiedlichsten Künstler, unter anderem ein Blues- und Jazzman, der mit schwarzer Maske, roten Lippen und Attrappenzigarette hervorragend spielt. Er ist ein angenehmer uruguayischer Mann, der schon 20 Jahre im gleichen Outfit in Santiago spielt. Damit verdient er seinen Lebensunterhalt.

Damit ich mehr Sehenswürdigkeiten sehen kann als nur humpelnd, nehmen wir eine Bimmelbahn, die uns ungewöhnliche Blicke auf die Stadt bietet.

Abends landen wir beim Italiener, wo Kleingeld in den Ritzen der Steine überall zu sehen ist. Das ist hier üblich und lockt das Glück an. Unser Glück war die deutschsprachige, nette Bedienung. Nachdem wir heute die richtige Bushaltestelle getroffen haben, kommen wir zurück zur Herberge. Dort lassen wir uns eine Geschichte von einem Weltenbummler erzählen, der schon seit seinem 18. Lebensjahr unterwegs ist. Er ist heute 59 Jahre alt. Davon werde ich jetzt träumen….

Mein Musikfreund. Bei YouTube leicht zu finden.

Tag # 9

Das vegane Restaurant EntrePedras kann ich nur empfehlen. Die Speisekarte kann man von oben bis unten mit Genuss essen, aber nicht an einem Abend. Es ist ein entspanntes Gefühl, sich keine Gedanken über versteckte Speckwürfel in einem Gericht zu machen. Die Vorspeisen eignen sich auch als Hauptspeisen und die Nachtischtörtchen gewinnen jeden Wettbewerb.

Als wir zurück in der Herberge sind, fällt mir ein, dass die nicht zusammenklebende Platzwunde am Fuß, keine gute Idee war. Die Nachtapotheke und Katrins Fürsorge retten mich.

Nicht nur deswegen ist heute Ruhetag.

Beim Frühstück reden wir mit Mirjam aus M. Sie erzählt uns viele interessante Geschichten aus ihrer Pilgerreise und ihrem bewegten Leben. Eine davon ist von einer Übernachtung in Kloster, wo ihr die Mönche nicht nur einen Tee ? aus den Klostergartenpflanzen gegen Husten vorbereitet haben, sondern auch über einen Käsekranz, den sie für unterwegs bekommen hat. Sorgfältig im Wachstuch eingewickelt präsentiert sie uns ihn und wir essen ihn alle zusammen. Den Rest bekommen wir geschenkt. Fast die Hälfte. Danke, Mirjam – du hat uns das Mittagessen gerettet ?.

Wir sitzen dann lange Zeit an einer Kirchentreppe und genießen die Sonne. Und fotografieren.

Der Besuch der Kathedrale ist eine reine Enttäuschung – sie ist in der Rekonstruktion. Schade.

Auf dem Platz vor der der Kathedrale läuft den ganzen Tag eine Meisterschaft im Basketball 3 gegen 3 auf einen Korb – eine willkommene Erfrischung des Tages. Es ist spannend zuzusehen, wie die Jugendlichen ihre Sportleidenschaft mit Leib und Seele ausleben. Und fair sind sie auch.

Unterwegs sehen wir eine Hochzeitsgesellschaft, bleiben stehen, freuen uns, wenn die Braut kommt und sind enttäuscht von vielem gesprochenem Wort und keiner Livemusik. Die übergroße Orgel bleibt stumm. Dafür Playback. Wir möchten uns nicht gleich anbieten….

Der Tag geht zu Ende und nach langem hin und her entscheiden wir uns wieder für das vegane Restaurant, wie gestern.

Bequem angelehnt?

43 war meine Lieblingsspielerin.

FindedenFehlerKirche.

Tag # 8

Guten Morgen – wir sind aufgeregt – heute laufen wir 16 km nach Santiago de Compostela – das Ziel aller Pilger.

Aber zuerst erwartet uns ein gemütliches Frühstück in der Herberge inkl. das Teekochen in der Mikrowelle.

Wir machen uns kurz nach 8 Uhr auf den Weg. Heute laufe ich nicht nur ohne Stock, sondern auch ohne Initialschmerztablette. Ein Experiment mit Folgen: meine Laune sinkt auf den Tiefpunkt. Auch weil die Umgebung am Anfang nicht so schön ist, die wir laufen. Aber als mein Auge die Pilgertoilette sieht, hebt sie sich. Als wir am Maisfeld ankommen, in dem eine lebensechte Vogelscheuche ihre Dienste anbietet, frage ich mich, warum ich schlechte Laune habe. Hat schon jemand gesehen, dass Vögel ein Maisfeld bedrohen?

Die wunderschöne Natur im weiteren Verlauf belohnt uns für den Industriellen Anfang. Und da kommen wir schon auf den Kilometer 9,9 ?

Weiterhin begleitet uns die Gruppe von 80 pilgernden Jugendlichen. Sie werden an Schlüsselpunkten mit Essen versorgt. An diesem Punkt befinden wir uns mitten in der Gruppe. Und was passiert? Wir werden mit Orangen mitversorgt. Das gerade von einer Lehrerin, von der ich das nie erwartet hätten – ich dachte, dass sie die ganze Zeit ohne Gefühl pilgert. Ich habe mich in meiner Einschätzung total getäuscht. Das ist eine Lehre, die ich mit nach Hause nehme: Keine Vorurteile bilden.

Als wir schon in einen Vorort von Santiago kommen, setzen wir uns auf eine einladende Bank. Es duftet nach herrlichen Backwaren. Die Bäckerei ist nicht weit. Nach 4 Tagen esse ich ein Vollkornbrot. Eine Wonne. Dabei ist mir aufgefallen, dass unsere Schneidemaschinen beim Bäcker viel weiter entwickelt sind als in Spanien. Und ja, McDonalds gibts hier auch – leider ohne veganen Burger.

Wir sind am Ziel unserer Reise angekommen. Die Kathedrale. Wir freuen uns sehr, dass wir in 4 Tagen 75km gelaufen sind.

Wir würden die Reise jederzeit wieder machen und die Strapazen auf uns nehmen.

Übrigens hat sich mein Engel per Email zurückgemeldet. Enrique lebt in Madrid und wir sind eingeladen, ihn zu besuchen. Ich werde seine Dienste, letzte Woche bei dem Unfall, nie vergessen. Auch danach hat er an mich gedacht und war besorgt, wie er schrieb. Deswegen auch ein Bild von ihm.

Heute Abend gehen wir mit Freunden, die wir unterwegs kennengelernt haben, in ein veganes Restaurant. Jetzt warten wir noch auf den Trockner, um uns frisch anzuziehen.

Tag # 7

Der Camino gibt dir was du brauchst. (Camino = der Weg)

Ich habe meine Grenzen wieder gefunden. Dabei haben sich andere Grenzen aufgelöst. Die Zwischenmenschlichen. Wie cool ? ist es mit 20 fremden Leuten den ganzen Abend und die Nacht zu verbringen: sich super freundlich zu begegnen, sich nicht zu stören, jede bietet das Essen dem Anderen an, sich voll zu vertrauen (jeder lässt alles offen liegen), in der gemischten Dusche ? klar zu kommen und sich trotzdem wohl fühlen, Deutsche treffen, kaum Schlafgeräusche wahrnehmen, sich erholen und am Nächsten Morgen gut gelaunt weiterlaufen.

Nach den gestrigen 13 km erwarten uns heute 24 km nach Sigueiro. Am frühen Morgen stärken wir uns mit Banane, Zwiebacks und galizischem ? und Wasser. Der Käse ist eine empfehlenswerte milde Sorte.

Um 7:58 verlassen wir die Herberge. Die Hälfte der Bewohner sind sich weg. Draußen ist einstellig kalt und halbdunkel. Plötzlich hören wir hinter uns ausgelassene spanische Stimmen. Mehrere Schulklassen überholen uns. Wir kommen ins Gespräch mit einem Lehrer ?‍?, der besser deutsch als englisch kann. Es sind 14-jährige Teenager und laufen 100 km nach Compostela. 5 Tage eine Klassenfahrt. Sie laufen nach den gestrigen 30 km erstaunlich flott.

Jurastic Horror in der spanischen Pampa.

Heute möchte ich schon ohne den Stock laufen. Mal sehen, ob es geht.

Gegen 14 Uhr während einer Pause auf steinernen Bänken unter einem uralten Baum gesellt sich zu uns eine interessante junge Familie mit zwei Kids – 3 und 0,5 Jahre alt. Sie laufen den Camino mit Kinderwagen und der Weg macht ihnen Spaß. Sie meinten, dass es in den Herbergen nicht immer eine Win-win-Situation ist. Sie sind in Spanien ?? für ein halbes Jahr und genießen die Elternzeit. Inzwischen haben sie drei Monate an einem Ort gewohnt und die spanische Kinderfreundlichkeit erlebt. Wir finden es mutig, fragen nach den Namen der Kids und laufen unter den Ess-Kastanienbäumen weiter. Wir überlegen, wie es schön sein muss, ein halbes Jahr im fremden Land zu leben. Das Leben ist hier weit günstiger als in Deutschland. Ein durchschnittliches Einkommen beträgt 2.000 €, ein Managergehalt 4.000 €. In Deutschland verdienen wir im Schnitt 3.800 €. Geht es uns nicht gut?

Ein längeres Stück laufen wir entlang der Autobahn, aber es stört uns nicht. Bald sind wir auch am Zielort, wo wir gestern eine Unterkunft im Doppelzimmer gebucht haben. Hier ist nämlich keine Herberge, nur Privatunterkünfte. Zuerst aber treffen wir ein paar Leute aus der gestrigen Herberge gemütlich den Tag ausklingen lassen. Wo kommen so viele Bierflaschen her?

Wir sind top müde ? und haben nur Essen und ein Bett vor Augen ?. Leider ist unser Hostel überbucht und wir bekommen deswegen ein kleines Upgrade – zu dem Doppelzimmer ein privates Badezimmer. Was für ein Luxusleben in Sigueiro.

Nach einem opulenten Abendessen treffen wir bei uns in der Hostelküche 3 Portugiesinnen. Beim Gespräch kommt raus, dass eine von ihnen nur 3 kg schweren Rucksack hat. Der Trick: die Klamotten werden nicht gewaschen, sondern weggeschmissen. Auch eine Verwendung von Altkleidern.

Wir haben in Santiago, wohin wir morgen pilgern werden, schon eine Unterkunft für die nächsten drei Nächte gebucht und sind jetzt völlig entspannt.