Tag # 7

Der Camino gibt dir was du brauchst. (Camino = der Weg)

Ich habe meine Grenzen wieder gefunden. Dabei haben sich andere Grenzen aufgelöst. Die Zwischenmenschlichen. Wie cool ? ist es mit 20 fremden Leuten den ganzen Abend und die Nacht zu verbringen: sich super freundlich zu begegnen, sich nicht zu stören, jede bietet das Essen dem Anderen an, sich voll zu vertrauen (jeder lässt alles offen liegen), in der gemischten Dusche ? klar zu kommen und sich trotzdem wohl fühlen, Deutsche treffen, kaum Schlafgeräusche wahrnehmen, sich erholen und am Nächsten Morgen gut gelaunt weiterlaufen.

Nach den gestrigen 13 km erwarten uns heute 24 km nach Sigueiro. Am frühen Morgen stärken wir uns mit Banane, Zwiebacks und galizischem ? und Wasser. Der Käse ist eine empfehlenswerte milde Sorte.

Um 7:58 verlassen wir die Herberge. Die Hälfte der Bewohner sind sich weg. Draußen ist einstellig kalt und halbdunkel. Plötzlich hören wir hinter uns ausgelassene spanische Stimmen. Mehrere Schulklassen überholen uns. Wir kommen ins Gespräch mit einem Lehrer ?‍?, der besser deutsch als englisch kann. Es sind 14-jährige Teenager und laufen 100 km nach Compostela. 5 Tage eine Klassenfahrt. Sie laufen nach den gestrigen 30 km erstaunlich flott.

Jurastic Horror in der spanischen Pampa.

Heute möchte ich schon ohne den Stock laufen. Mal sehen, ob es geht.

Gegen 14 Uhr während einer Pause auf steinernen Bänken unter einem uralten Baum gesellt sich zu uns eine interessante junge Familie mit zwei Kids – 3 und 0,5 Jahre alt. Sie laufen den Camino mit Kinderwagen und der Weg macht ihnen Spaß. Sie meinten, dass es in den Herbergen nicht immer eine Win-win-Situation ist. Sie sind in Spanien ?? für ein halbes Jahr und genießen die Elternzeit. Inzwischen haben sie drei Monate an einem Ort gewohnt und die spanische Kinderfreundlichkeit erlebt. Wir finden es mutig, fragen nach den Namen der Kids und laufen unter den Ess-Kastanienbäumen weiter. Wir überlegen, wie es schön sein muss, ein halbes Jahr im fremden Land zu leben. Das Leben ist hier weit günstiger als in Deutschland. Ein durchschnittliches Einkommen beträgt 2.000 €, ein Managergehalt 4.000 €. In Deutschland verdienen wir im Schnitt 3.800 €. Geht es uns nicht gut?

Ein längeres Stück laufen wir entlang der Autobahn, aber es stört uns nicht. Bald sind wir auch am Zielort, wo wir gestern eine Unterkunft im Doppelzimmer gebucht haben. Hier ist nämlich keine Herberge, nur Privatunterkünfte. Zuerst aber treffen wir ein paar Leute aus der gestrigen Herberge gemütlich den Tag ausklingen lassen. Wo kommen so viele Bierflaschen her?

Wir sind top müde ? und haben nur Essen und ein Bett vor Augen ?. Leider ist unser Hostel überbucht und wir bekommen deswegen ein kleines Upgrade – zu dem Doppelzimmer ein privates Badezimmer. Was für ein Luxusleben in Sigueiro.

Nach einem opulenten Abendessen treffen wir bei uns in der Hostelküche 3 Portugiesinnen. Beim Gespräch kommt raus, dass eine von ihnen nur 3 kg schweren Rucksack hat. Der Trick: die Klamotten werden nicht gewaschen, sondern weggeschmissen. Auch eine Verwendung von Altkleidern.

Wir haben in Santiago, wohin wir morgen pilgern werden, schon eine Unterkunft für die nächsten drei Nächte gebucht und sind jetzt völlig entspannt.